Špindlerův Mlýn 2

Eine Wanderung zur Elbquelle: Ein Tag voller Erinnerungen und neuer Eindrücke

Heute steht ein ganz besonderes Ziel auf dem Plan: die Quelle der Elbe, die Pramen Labe. Die Route habe ich grob dem Rothaer Wanderführer entnommen – eine verlassenswerte Quelle für Inspiration und Orientierung. Nach einem ausgiebigen und schmackhaften Frühstück, das hier im Hotel übrigens schon ab 07:30 Uhr serviert wird, breche ich zeitig auf. Ein früher Start ist bei dieser Tour durchaus sinnvoll.

Das Wetter spielt mit, die Prognosen sind gut. Also spricht nichts dagegen, den Tag in vollen Zügen zu genießen. Die Route verläuft größtenteils entlang der Elbe, die hier noch ein junger Fluss ist, kaum mehr als ein munterer Bach. Gleich hinter Špindlerův Mlýn beginnt der stetige Anstieg.

urzelweg

Zunächst führt der asphaltierte Weg noch an touristischen Anziehungspunkten vorbei: der Talstation des Medvědín, kleinen Cafés, Bars und Souvenirständen. Alles wirkt noch ruhig, der Tag scheint gerade erst zu erwachen. Doch die Landschaft verändert sich bald. Nach etwa 45 Minuten beginnt der Aufstieg sich zu wandeln. Der Asphalt endet, Steine und Wurzeln übernehmen. Und mit ihnen kommt die Ruhe.

Ich bin wieder fast allein unterwegs, und ich gebe zu: Ich genieße es sehr. In der Einsamkeit der Natur sortieren sich Gedanken von selbst. Ich mag beides – das Wandern in guter Gesellschaft, mit Gesprächen, geteiltem Staunen und gemeinsamen Pausen. Und ebenso schätze ich diese stillen Stunden, in denen ich meinem eigenen Rhythmus folge, stehen bleibe, wenn mir danach ist, und einfach in die Landschaft horche.

Der Weg steigt weiter an, wird steiniger, wilder. Und dann, zwischen den Bäumen, erkenne ich sie: die Labská Bouda. Ein Blick, der Erinnerungen weckt. Fast zwanzig Jahre ist es her, dass ich dort übernachtet habe. Es war tiefster Winter, wir waren auf Skiern unterwegs, mit Freunden, und diese riesige Baude gehörte uns fast allein. Ein Erlebnis, das nachklingt.

Doch noch bin ich nicht da. An einem besonders ruhigen Abschnitt des Weges mache ich eine Pause. Die Labe plätschert neben mir, kaum mehr als ein glasklarer Bach. Ich setze mich, atme tief durch und lasse die Zeit stillstehen.

Als ich schließlich die Labská Bouda erreiche, ist es mit der meditativen Stille vorbei. Viele Menschen tummeln sich hier, es wirkt beinahe wie ein kleiner Gipfelpunkt. Erst bin ich erstaunt – dann erinnere ich mich: Die Seilbahn auf den Medvědín bringt viele Besucher hinauf, von dort ist es nicht so weit und beschwerlich bis hierher.

Zudem ist dei Baude auch von vielen Polen besucht, die nach dem gestrigen internationalen Feiertag sicher auch diesen Brückentag nutzen und das tolle Wetter für einen Aufdtieg aus nördlicher Richtung genutzt haben.

Ich aber bin froh, den Aufstieg zu Fuß gemacht zu haben. Der Weg hat mir die Landschaft eröffnet, und Schritt für Schritt habe ich die Höhe von ca. 1.300m erreicht.

Ich komme mit zwei Landsleuten ins Gespräch. Sie haben vor, von hier aus noch etwa 24 Kilometer zurückzulegen: zur Quelle, zur Wiesenbaude, weiter zur Martinsbaude und schließlich zurück nach Špindlerův Mlýn. Mir erscheint das ein wenig zu ambitioniert für den verbleibenden Tag, aber die Idee, zur Martinsbaude zu gehen, gefällt mir – und so passe ich meine Pläne kurzerhand an.

Doch zunächst geht es zur Pramen Labe. Dort ist einiges los, viele Menschen haben sich hier versammelt. Die Quelle selbst liegt noch unter einer dicken Schneedecke verborgen. Ich halte mich daher nicht lange auf, sondern suche den Weg oberhalb der Elbfallbaude hinauf zum Kammweg, dem ich nun ostwärts folge.

An der Elbquelle

Dieser Abschnitt ist mir neu – und das macht ihn besonders spannend. Ich befinde mich nun auf dem Polnisch-Tschechischem Freundschaftsweg. Dieser verbindet über eine Länge von ca. 28 Kilometern von Ost nach West den Reifträger (Szrenica) oberhalb von Szklarska Porębain Polen mit der Grenzbaude/Pomezní Boudy  bei Malá Úpa in Tschechienund liegt mehr oder weniger genau auf der Grenzlinie zwischen Polen und Tschechien. Diesen Weg zu gehen – quasi von Hütte zu Hütte –steht auch auf meiner Wunschliste.

Ich erreiche schließlich die Schneegrubenbaude, die ich bisher nur aus Erzählungen kannte. Der Blick von dort auf die tief eingeschnittenen Schneegruben und hinüber nach Polen ist atemberaubend. Zu meinem Glück ist die Weitsicht recht gut und so bleibe ich lange stehen, staune und frage mich, warum ich in all den letzten Jahren so selten hier war – obwohl das Riesengebirge doch gar nicht so weit entfernt liegt. Das wird sich ändern.

Von den Schneegruben aus ist es nicht mehr weit bis zur Martinsbaude. Dort finde ich einen stillen Platz, lasse mich nieder und genieße den Ausblick – weit über Špindlerův Mlýn hinweg. Die Landschaft liegt ausgebreitet vor mir, und ich nehme mir Zeit, sie in mich aufzunehmen.

Nach gut 21 Kilometern, reich an Eindrücken, Begegnungen und stillen Momenten, bin ich zurück im Garten des Hotels. Ich lasse den Tag noch einmal Revue passieren – ein Tag, der in seiner Vielfalt und Schönheit lange nachklingen wird.

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