Zur Wiesenbaude – Ein Tag mit Wetterwechsel und Weitblick

Auch heute lasse ich mich vom Rothaer Wanderführer inspirieren. Die Auswahl an Touren, die direkt in Špindlerův Mlýn starten, ist überschaubar – schnell fällt meine Entscheidung auf Wanderung Nr. 11 zur Wiesenbaude.
Da für den frühen Nachmittag Gewitter gemeldet sind, starte ich nach einem diesmal etwas kürzeren Frühstück zeitig.


Kaum 500 Meter nach dem Start geht mir zum ersten Mal die Puste aus: Der Anstieg durch den Ort auf der roten Markierung hat es in sich. Aber genau das liebe ich am Wandern – sich herausfordern, sich anstrengen, und dann belohnt werden – mit einem weiten Blick, einem besonderen Moment oder einfach nur dem Gefühl, ein Ziel erreicht zu haben.
Danach läuft es sich deutlich leichter. In Svatý Petr, einem ruhig gelegenen Ortsteil von Špindlerův Mlýn, höre ich aus der Ferne erstes Donnergrollen. Der Himmel ist zwar noch nicht ganz bedeckt, und ich verlasse mich auf den lokalen Wetterbericht – also gehe ich weiter. Bald erreiche ich den Waldweg oberhalb von Svatý Petr.

Nur wenige Wanderer sind unterwegs, und so ist es angenehm still. Das Zwitschern der Vögel begleitet mich, während der Weg steiler wird. Ich finde mein Tempo, lasse die Gedanken schweifen. Doch der Himmel zieht sich immer mehr zu, die ersten Tropfen fallen, Donner wird deutlicher – schließlich bin ich mittendrin im Regen. Ich zähle die Sekunden zwischen Blitz und Donner und überlege kurz, ob ich umkehren soll. Als dann eine tschechische Gruppe an mir vorbei aufsteigt, ist mein Entschluss gefasst: Ich gehe weiter. Eine gute Entscheidung, wie sich später zeigen wird.

Der Anstieg fordert – aber er ist machbar. Die Vögel beginnen wieder zu singen, als das Gewitter abzieht. Kurz darauf hört der Regen auf, der Wald öffnet sich – und ich erreiche den Ziegenrücken, Kozí hřbety. Übrigens befinde ich mich hier in der absolten Ruhezone des Nationalparks, in der ganz beonders strenge Verhaltensregeln gelten.
Vor mir liegt in der Ferne die Schneekoppe, hinter mir das Tal. Ich bin dankbar, dass ich meinem Gefühl gefolgt bin.


Wie anders sich die Landschaft hier oben zeigt – weit, offen, von ganz eigener Vegetation geprägt. Die Luční bouda, die Wiesenbaude, ist schon zu sehen, und als die Sonne durch die Wolken bricht, breitet sich ein tiefes Glücksgefühl in mir aus. Es bestätigt sich einmal mehr: Manchmal lohnt es sich, einfach loszugehen.
An der Wiesenbaude angekommen, muss ich meine Erinnerungen neu sortieren. Früher war sie eine große, aber urige Berghütte – heute gibt es elektrische Schiebetüren, ein modernes Restaurant, und die kleine Bäckerei mit der unvergesslichen Hefeschnecke ist verschwunden. Schade, finde ich. Doch immerhin finde ich den Stempel für mein kleines rotes Wanderbuch – und einen frischen Kaffee. In der Sonne, die nun meine nassen Sachen trocknet, lasse ich den Moment wirken und genieße einfach.

Auch heute weiche ich vom vorgeschlagenen Routenverlauf ab und folge dem Weberweg, blau markiert in Richtung Westen. Inzwischen begegnen mir deutlich mehr Menschen, in beide Richtungen. Besonders freue ich mich über die vielen jungen Wanderer – es ist schön zu sehen, wie selbstverständlich sie sich in der Natur bewegen.


Der Weg wird schmaler und steiniger, folgt immer der Bílé Labe, der weißen Elbe und ich muss gut aufpassen, wo ich hintrete. Dabei denke ich an den Aufwand, der einst notwendig war, um diese Wege anzulegen – und wie sehr sie das Gehen heute erleichtern.



Bald höre ich Stimmen und weiß: Die Bouda Bílé Labeist nah. Und tatsächlich – viel Trubel, viele Familien, kaum ein freier Tisch. Das Essen sieht köstlich aus!


Der Rückweg nach Špindlerův Mlýn ist betoniert, begleitet vom stetigen Lauf der Weißen Elbe, die sich kurz vor dem Ort mit der Elbe vereint. Auf halber Strecke liegt ein Spielplatz – wohl auch deshalb sind hier so viele Familien unterwegs. Die Strecke ist ideal für kleinere Wanderer.
Zurück im Hotel bestelle ich mir ein deftiges Gulasch mit Knödeln, stilecht und sättigend. Und kaum sitze ich, beginnt das angekündigte Gewitter mit kräftigem Regen. Doch ich bin im Trockenen, lasse die Tour noch einmal an mir vorbeiziehen – und langsam wird mir bewusst, dass dieses schöne, gut genutzte Wochenende nun zu Ende geht.
