Auf die Schneekoppe – Ein Gipfelerlebnis zwischen Nebel und Fernsicht
Es regnet seit dem frühen Morgen, und die Schneekoppe steht heute auf dem Plan – mit 1.603 Metern die höchste Erhebung des Riesengebirges, auf Tschechisch Krkonoše, auf Polnisch Karkonosze.
Wegen der Wetterprognose entscheide ich mich für einen Start an der Spindlerbaude, die ichmit dem Linienbus erreichen. Der direkte Aufstieg von Špindlerův Mlýn über die Wiesenbaude ist durchaus anspruchsvoll – und wurde in Tour 3 bereits begangen. Zeit also für eine neue Route!

Die Busverbindung ist hervorragend organisiert – und entsprechend gut genutzt: Der Bus ist bis auf den letzten Platz gefüllt mit Wanderlustigen jeden Alters. Nach knapp 30 Minuten erreicht der Bus die Spindlerbaude. Doch oben erwartet uns zunächst nur unendlich viel Nebel. Die Baude liegt in dichter Wolke, kaum ist etwas zu erkennen. Aber es regnet nicht mehr, und laut Wetterbericht sollen sich die Wolken im Laufe des Tages lichten. Also gehe ich los – mit der Hoffnung auf Sonne und Fernsicht im Gepäck.
Der Polnisch-Tschechische Freundschaftsweg, dem ich nun ostwärts folge, steigt gleich zu Beginn leicht an. Ich bin nicht allein unterwegs – immer wieder begegne ich anderen Wanderern, manche still und in sich gekehrt, andere im Gespräch vertieft.


Bis zum Mittagsstein, einer eindrucksvollen, etwa zwölf Meter hohen Granitformation, bleibt es neblig. Doch mit jeder Biegung scheint es ein wenig heller zu werden – erste Sonnenstrahlen flackern zaghaft durch die Wolkendecke. Die Hoffnung auf einen freien Blick wächst.

Der Weg lässt sich angenehm gehen – keine großen Höhenunterschiede, gleichmäßiges Auf und Ab. Ich komme gut voran. Und tatsächlich: Nach und nach lichtet sich der Nebel und gibt Stück für Stück den Blick auf die umliegende Landschaft frei.
Inzwischen bin ich oberhalb der Kleinen Teichbaude, der Samotnia, angekommen. Sie liegt malerisch am Mały Staw – dem „kleinen Teich“ – auf der polnischen Seite des Riesengebirges und gilt als die älteste Baude Schlesiens. Der Blick hinunter ist beeindruckend – und ich nehme mir vor: Beim nächsten Mal werde ich von Karpacz aus hierher wandern. Es lohnt sich bestimmt.


Doch heute wartet noch ein anderes Ziel auf mich – und das ist nicht mehr allzu weit entfernt. Schon bald zeigt sich die Schneekoppe in ihrer ganzen, beeindruckenden Präsenz. Für eine Pause verlasse ich den rot markierten Freundschaftsweg und biege auf den gelben Pfad zur Luční bouda ab – der Wiesenbaude auf 1.410 m Höhe. Eine gute Entscheidung: Der Kaffee und das Eis schmecken, die Beine ruhen kurz aus, und von hier sind es nur noch rund drei Kilometer bis zum Gipfel.
Die Landschaft hier oben ist einzigartig: Neben weiten Borstgraswiesen und dichten Knieholzbeständen durchquere ich ein Hochmoor, auf einem sorgfältig angelegten Bohlenweg. Der Weg bis zur Dom Śląski, einer weiteren Berghütte direkt unterhalb des Gipfels, läuft sich fast wie von selbst.


Und dann kommt er – der letzte, herausfordernde Anstieg. Die Schneekoppe liegt klar vor mir, das Ziel zum Greifen nah. Der Pfad zieht sich steil nach oben, rund 200 Höhenmeter auf kurzer Strecke. Die Luft wird etwas knapper – weniger wegen der Höhe, mehr wegen der Anstrengung. Doch mit jedem Schritt wächst die Vorfreude.
Der morgendliche Nebel ist längst verschwunden, und als ich schließlich oben stehe, wird jede Anstrengung belohnt: Der Ausblick ist überwältigend. Weit überragt die Schneekoppe das umliegende Gebirge, und der Rundumblick reicht bis tief nach Polen und Böhmen hinein. Ein Moment, der still macht.





Nach einer ausgedehnten Gipfelpause heißt es: Abschied nehmen. Der Rückweg nach Špindlerův Mlýn führt steil bergab – auf felsigen Stufen und durch steinige Abschnitte. Der Abstieg fordert noch einmal Konzentration, aber auch hier ist der Weg ein Erlebnis. Immer wieder halte ich inne – der Blick ins Tal, das Wechselspiel der Vegetation, das Spiel des Lichts.


Allmählich werden aus den niedrigen Krüppelkiefern wieder hohe Bäume, und der Weg führt durch dichten Wald. Ich nehme die Stille in mich auf – und bin beeindruckt, wie vielfältig sich das Riesengebirge auf dieser Tour gezeigt hat.
Zum Schluss ziehen sich die letzten Kilometer dann doch ein wenig. Die Füße machen sich bemerkbar, der Rucksack sitzt nicht mehr ganz so bequem. Und doch – als ich wieder in der Unterkunft ankomme, bin ich zufrieden. Zehn Stunden war ich unterwegs. Und jeder einzelne Schritt hat sich gelohnt.